Hand drauf?
Auf die Frage, was typisch deutsch ist, fällt einem spontan ein: Benziner, Bier, Ballermann – und der Handschlag, der hier aus der Reihe tanzt. Gilt er doch auch unter Knigge-Vertretern als hohes kulturelles Gut, was sich von Bier und Ballermann nur bedingt behaupten lässt. „Der Status quo ist: In Deutschland ist der Handschlag Standard“, sagt Agnes Anna Jarosch, Vorsitzende des Deutschen Knigge-Rats. Noch jedenfalls. Denn: „Die Varianz wird größer, Regeln sind nicht mehr so starr wie früher.“ Der anständige Handschlag, verwässert wie alkoholfreies Weißbier? Kulturpessimismus – ebenfalls eine sehr deutsche Angelegenheit – ist dennoch nicht angebracht. Wie Jarosch konstatiert, kommen dafür nun eben andere Verhaltensweisen ins Spiel. Was vor allem eine bestimmte Spezies in unseren Büros erfreuen dürfte – die Bakteriophobiker.
Selten sind sie ohne Desinfektionsspray anzutreffen, Handschlägen gehen sie konsequent aus dem Weg und an Türklinken lassen sie lieber anderen den Vortritt. Diese Zeitgenossen mögen Ansteckung jedweder Art vermeiden, landen aber leicht in der Isolation. Womöglich ist es damit bald vorbei. Nur was, bitteschön, ist die Alternative zum festen Händedruck? Da kommt Expertin Jarosch ins Spiel; wie sie ausführt, seien Wangenküsse beispielsweise im Trend. Was allerdings gleich mehrere Komplikationen im Büro mit sich zu bringen droht. Um den Phobiker wird es noch einsamer. Weil all die Lippen potenziell schließlich tödliche Gefahren beinhalten, erträgt er die Arbeit nur noch im Homeoffice. Und was ist mit den anderen? Schauen Sie sich mal im Büro um. Von wem hätten Sie gerne jeden Morgen einen Wangenkuss? Hand aufs Herz …