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Attacken auf Wolf sind Attacken auf die Pressefreiheit

in Rest EU :-) 03.05.2019 18:53
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

„Ösi-Theater“ Armin Wolf (unser Foto) ist einer der besten Interviewer im deutschsprachigen Raum. Er fragt nach, auch mehrmals, um echte Antworten zu erhalten, nicht Politiker-Plattitüden. Wolf erledigt seinen Job – und schon alleine deswegen ist er erklärter Lieblingsfeind vor allem der österreichischen Rechtspopulisten, genauer der FPÖ – einer Partei, die sich immer wieder rechtsextremes Gedankengut zu eigen macht sowie durch Attacken auf unliebsame Medien auffällt. Einer Partei, mit der die konservative ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz koaliert, und von deren Skandalen sich Kurz nicht ausreichend distanziert.

im ORF interviewte und auf zwei der Aufreger der vergangenen Tage ansprach: ein Plakat der FPÖ-Jugend mit dem Slogan „Tradition schlägt Migration!“, auf dem ein, so Wolf in seinem Blog, „Trachtenpärchen“ von „dunklen, bösartigen, offenbar fremdländischen Fratzen bedroht wird“. Und auf den Begriff „Bevölkerungsaustausch“, den Österreichs FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem Interview benutzte – und den Kampf dagegen zum Ziel seiner Partei ausrief. Das Plakat ist rassistisch, der Begriff „Bevölkerungsaustausch“ ein Kampfbegriff der Rechtsextremen.

Kurz also sagte, das Wort „Bevölkerungsaustausch“ erachte er als „sachlich gar nicht richtig“. Man sei im Wahlkampf. Und: Was ihn störe, sei, dass immer wieder der Versuch gemacht werde, nur die Fehler auf der einen Seite zu finden. Danach wies er – man nennt es „Whataboutism“ (eine Ablenkungsstrategie) – auf die sozialistische Jugend hin, die Lenin verehrt habe. So macht man die Rechtsnationalisten der FPÖ größer. An diesem Freitag ist der Internationale Tag der Pressefreiheit – und was in Österreich geschieht, ist brandgefährlich. Zuletzt drohte der FPÖ-Generalsekretär und Spitzenkandidat für die Europawahl, Harald Vilimsky, Wolf während einer Live-Sendung der „ZiB2“ mit „Folgen“.

Wolf hatte ihn gefragt, warum die FPÖ Probleme habe, sich von offenem Rassismus und Rechtsextremismus abzugrenzen. Vilimsky antwortete (Whataboutism!), es gebe „linke Netzwerke“, die Dinge suchten, um sie gegen die FPÖ in Stellung zu bringen. Dann konfrontierte Wolf ihn mit dem FPÖ-Jugend-Plakat und verglich es mit einer bekannten antisemitischen Darstellung aus dem NS-Hetzblatt Der Stürmer . Vilimskys Antwort: Man könne über den Stil streiten. Wolf aber versuche, diese „Geschichte“ einen Monat vor der EU-Wahl im öffentlich-rechtlichen Rundfunk hochzuziehen und zu skandalisieren. Strache bezeichnete das Interview als „widerlich“. Der ORF -Stiftungsratsvorsitzende und frühere FPÖ-Chef Norbert Steger legte Wolf ein „Sabbatical“ nahe.

Ein Einzelfall ist all das nicht. „In Österreich nahmen medienfeindliche Rhetorik und Drohungen gegen Medienschaffende stark zu, seit Rechtspopulisten an der Regierung beteiligt sind“, erklärte kürzlich die Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen anlässlich ihrer „Rangliste der Pressefreiheit 2019“, in der Österreich von Rang elf auf Rang 16 von 180 Ländern fiel. Das „Ösi-Theater“ um Wolf und die FPÖ, wie es die Bild nannte, zeugt davon: Die Pressefreiheit in Österreich gerät unter immer stärkeren Druck. Und so ist es, in noch anderem Ausmaß, auch in Deutschland.

Wenn Parteien wie die FPÖ an die Macht kommen, gehen sie schnell ans Werk. Etwa gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den sie als „Staatsfunk“ schmähen (aber letztlich genau dazu machen wollen: zu einem Rundfunk unter ihrer Kontrolle).

Der gebührenfinanzierte ORF steht in Österreich nicht minder in der Kritik wie ARD und ZDF in Deutschland, und natürlich ist sachliche Kritik berechtigt. Aber wie in Österreich geht es der AfD in Deutschland unter anderem darum, kritische Berichterstattung zu unterbinden. Und längst geht es auch in Deutschland nicht mehr nur gegen ARD und ZDF als Organisationen, konkret werden Journalisten wie Dunja Hayali, Claus Kleber, Tina Hassel, Patrick Gensing oder Georg Restle angegangen – als vermeintliche Propagandisten der Merkel-Regierung. In Deutschland haben Rechtspopulisten den politischen Diskurs nach rechts verschoben. Erst ändert sich der Wortgebrauch, dann die Grenze des Sagbaren. Darauf müssen unabhängige Journalisten hinweisen – nicht bloß am Tag der Pressefreiheit.


Liebe Grüße
Peter
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