Der Mitgliederschwund in der katholischen und evangelischen Kirche macht auch vor den Schulen nicht halt
München Wie war das mit Abraham und Isaak? Warum war der Samariter barmherzig? Und was genau passiert noch mal an Pfingsten? Viele Kinder und Jugendliche in Deutschland lernen die Antworten auf diese Fragen nicht mehr in der Schule. Die Schülerzahlen im klassischen Religionsunterricht gehen vor allem im Westen Deutschlands zurück.
Nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) besuchten im Schuljahr 2017/18 noch gut 2,1 Millionen Schüler bundesweit den evangelischen und rund 1,8 Millionen den katholischen Religionsunterricht. Das war jeweils ein rundes Drittel aller Schüler. Ähnlich sahen die Prozentzahlen im Schuljahr 2015/16 aus. Ältere bundesweite Vergleichszahlen hat die KMK zwar nicht. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz (DBK) bestätigt aber, dass die Teilnahme am Religionsunterricht in den vergangenen Jahren insgesamt zurückgegangen ist, „aufgrund der Zunahme der konfessionslosen Schülerinnen und Schüler, die meist den Ethikunterricht besuchen“.
In Bayern sieht die Situation so aus: Nach Angaben des bayerischen Kultusministeriums nahmen dort im gerade abgelaufenen Schuljahr zwar noch 75 Prozent der 1,25 Millionen Schüler am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teil. Das sind allerdings satte elf Prozentpunkte weniger als vor zehn Jahren. Damals, im Schuljahr 2008/2009, lag der Anteil noch bei 86 Prozent. „An meinem Gymnasium haben wir nach wie vor 70 Prozent katholische Schüler – aber das waren auch schon mal zehn Prozent mehr“, sagt Heinz-Peter Meidinger, Leiter des Robert-Koch-Gymnasiums im niederbayerischen Deggendorf und Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. „Da verschiebt sich was. Die Bandbreite ist groß, aber die Tendenz ist klar.“ Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die katholische und die evangelische Kirche kämpfen seit Jahren mit sinkenden Mitgliederzahlen. Bei den Katholiken ist eine Hauptursache hierfür der Skandal um den tausendfachen Missbrauch.
Für die Kirchen sind die sinkenden Zahlen der Religionsschüler ein großes Problem. Denn: „Der Religionsunterricht in der Schule ist für Schülerinnen und Schüler der erste und oft auch wichtigste Ort, an dem sie über viele Jahre sich mit Fragen der Lebensgestaltung und den Antworten des christlichen Glaubens und anderer Religionen auseinandersetzen können“, sagte DBK-Sprecher Matthias Kopp. „Deshalb ist der Religionsunterricht ein unverzichtbares Schulfach.“
So sieht das auch der Sprecher der katholischen Reformbewegung „Wir sind Kirche“, Christian Weisner: „Der Religionsunterricht ist eine große Chance und hat ein ganz großes Potenzial. Da wird ein Fundament für das spätere Leben gelegt und gezeigt, was Religion bedeuten kann.“ Der Einfluss der Religionslehrer auf die Schüler sei heute wahrscheinlich größer als der der kirchlichen Jugendarbeit. „Die Kinder sind ja gar nicht mehr in den Gemeinden verankert. Und es gibt zehntausende Religionslehrer – sehr viel mehr als Priester und Pfarrer.“ Aber auch deren Zahl nimmt ab: In Bayern sank die Zahl der Religionslehrer innerhalb von zehn Jahren von 20 700 auf 18 700.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sieht die Entwicklung gelassener. Erstens müssten aus EKD-Sicht zur Rechnung der KMK noch Schüler dazugezählt werden, die an einem „übergreifenden Religionsunterricht“ teilnehmen. Dieser werde in einzelnen Bundesländern „konfessionell-kooperativ“ erteilt, gehe aber ebenso entweder auf evangelischen oder katholischen Religionsunterricht zurück. Dies eingerechnet läge der Anteil der Schüler, die in Deutschland den Religionsunterricht besuchen, nach EKD-Angaben bei knapp drei Vierteln