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#1

Welcher Wein wirklich zum Essen passt

in Hauptspeisen 28.09.2019 17:46
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

Genuss Die Regeln sind so einfach wie verkehrt: Weißwein zu Fisch, Rotwein zu Fleisch und den Käse sowieso immer mit Rotem. Doch wie klappt der perfekte Doppelpass zwischen Speisen und Weinen aus dem eigenen Keller? Alchemie ist es nicht

Von Herbert Stiglmaier

Es ist die Geschichte meines Lieblingsessens, das ich mir immer von meiner Mutter gewünscht hatte. Sie erzählte dann gerne am Tisch, dass man ihren beiden Brüdern sogar im Zweiten Weltkrieg ein Paket davon an die Front geschickt habe: von Großkitzighofen in die Normandie. Krautkrapfen! Kein „an“, kein „um“, kein „auf“, keine Speisenkartenlyrik, keine Beilagen. Schwäbischer geht’s nicht. Doch welcher Wein passt dazu? Die Antwort auf diese Frage kann nicht schwerfallen, möchte man meinen. Denn Krautkrapfen haben nur wenige Zutaten: Nudelteig, Sauerkraut, Butter, Wasser und Salz.

Im Theater der feinen Küche kommt die Aufführung erst einmal groß daher. Kaum hat man die Speisekarte geschlossen mit einer Entscheidung darüber, was man essen will, hat sich der Sommelier aufgebaut und fragt, welchen Wein man dazu denn trinken möchte. „Ja weiß doch ich nicht“, möchte man ihm gerne entgegnen, „halt einen, der schmeckt, bezahlbar ist und zum Essen passt.“ Staunend verfolgt der Gast, wie der Sommelier dann gedanklich in seinem Sensorik-Baukasten und anschließend im Keller wühlt, bis er schließlich eine Flasche bringt, die uns, nach einem perfekten „Food Pairing“, im besten Fall glücklich zurücklässt.

Doch wie nimmt man dieses Glück nach Hause und wird sein eigener Sommelier?

Ein paar Regeln gibt es dazu, mit denen man auf der sicheren Seite ist: Die vermeintlich zwingende Kombination „Fisch–Weißwein/Fleisch–Rotwein“ kann man getrost vergessen. Meistens ist es nicht das Produkt selbst, das die Weinauswahl vorgibt, sondern die Methode der Zubereitung.

Das pochierte Stück Schwertfisch, das von einer sahnigen Soße umschmeichelt ist, wird mit einem gehaltvollen Weißburgunder Euphorie auslösen, während dasselbe Stück Fisch, scharf angebraten, mit Grillgemüse seine Erfüllung am Gaumen mit einem gerbstoff-betonten Rotwein (Cabernet Sauvignon, Blaufränkisch) findet. Die Brücke zum Rotwein bildet hierbei der Gar-vorgang des Fisches: Beim kurzen scharfen Anbraten entsteht eine Kruste, in jedem Fall aber Röstaromen, die nach einem roten Tropfen rufen, der seine eigenen Röstungsnoten vom Toasting der Fässer bezieht, in denen er gelagert worden war.

Ähnlich wechselvolle Konstellationen können sich auch bei den verschiedenen Fleischsorten ergeben: Selbst ein Rehrücken mit seinen leicht süßlichen Geschmacksakzenten kann aus der ehe-ähnlichen Beziehung mit Rotwein heraustreten und eine anregende Liaison mit einem weißen Tropfen eingehen.

Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist die Soße. Sie ist die zweite wichtige Variante in diesem Aromenspiel, die vor allem bei eher neutralen Fleisch-, Fisch- oder Gemüsesorten zum Tragen kommt und dann als Leinwand für den Geschmacksfilm dient. Fleisch vom Huhn gibt so eine perfekte Projektionsfläche ab: Je nachdem, ob es ein eleganter „Coq au Vin“ aus dem Burgund ist, der sich gerne an einen seidigen Spätburgunder mit mäßigem Tannin schmiegt, oder ein mediterranes Zitronen-Huhn mit seinem herausfordernden Säurespiel, das nur durch einen kraftvollen Weißwein, etwa einen Grauburgunder oder einen Viognier, eingefangen werden kann.

Beim scharfen grünen Thai-Curry mit Huhn knallt es gleich richtig im Aromenkino, und das unerwartet. Was setzt man der Säure der Limetten, dem eigenartigen Auftritt der Nam Pla (Soße aus fermentiertem Fisch) nur entgegen? Es ist die Stunde des deutschen Rieslings. Er kann, in nicht ganz trockener Version, mit seiner feinen rassigen Säure scharfe asiatische Gerichte, aber auch eine schlichte italienische „Penne all’arrabbiata“ oder „Aglio e olio“ perfekt begleiten. Wir lernen: Süße fängt Schärfe ein.

Allein, diese Erkenntnis hilft bei den Krautkrapfen keinen Meter weiter. Das einfache Gericht stellt sich dann doch als nicht so leicht zu lösendes Weinrätsel heraus. Schieben wir das schwäbische „Signature Dish“ also ins kulinarische Kernspin: Da ist der Nudelteig mit seiner Fülle und Sämigkeit aus Mehl, Ei, Wasser und Salz. Er würde nach einem üppigen Wein rufen, egal ob weiß oder rot. Doch dann kommt das Sauerkraut mit seiner prägnanten Säure und den vegetabilen Noten, die wein-technisch in eine ganz andere Richtung zeigen. Rotwein ist jetzt raus. Gerbstoffe und Säure, aua. Doch damit nicht genug. Die Krautkrapfen werden in Butter und Butterschmalz angebraten. Hier kommen die schon besungenen Röstaromen ins Spiel, dazu die nussigen Anklänge der Butter und einer der ganz wichtigen Geschmacksträger, nämlich Fett. Es gibt einer Speise Gewicht, Struktur und verlangt alkoholreiche Weine mit mäßiger Säure. Einen Wein für diese Trilogie an Aromen zu finden, ist keine leichte Aufgabe.

Schließlich ist man als freudiger Weingenießer auch nicht jeden Abend willens, eine allumfassende Analyse zu erstellen, welcher Wein zum Essen passen könnte. Deshalb an dieser Stelle also einige Abkürzungen zum privaten Sommelier-Glück. Kombinationen, die immer funktionieren: Spargel mag Silvaner, Sauvignon blanc geht mit Gemüse aller Art, Süßwasserfische mit trockenem Riesling, Salzwasser-exemplare mit Weißburgunder. Rind, Lamm und Wild freuen sich über Spätburgunder und die gute Wurst-Brotzeit über Schwarzriesling oder Zweigelt.

Aber was ist mit Käse? Hier kommt die vielleicht größte Überraschung in Sachen „Weinbegleitung“, denn entgegen allen Klischees, in denen der launige Franzose mit Baskenmütze Rotwein zu Baguette und Käse nimmt, passen rote Tropfen nur in wenigen Fällen. Etwa zum Camembert und zu einigen Hartkäsen wie Pecorino, Manchego und Parmesan. Der Rest ist weiß. Die Tannine im Rotwein, also die Gerbstoffe, verhindern die Harmonie.

Unerwartetes Glück und einen großen Auftritt am Tisch kann man als Gastgeber mit gewichtigen säurearmen Weißweinen wie Grauburgunder, Chardonnay und Traminer inszenieren. Ein Loblied muss in diesem Zusammenhang auf die fränkische Traube, den Silvaner, gesungen werden. Es gibt kaum eine Rebsorte in der Welt, die in ihren vielen verschiedenen Arten des Ausbaus (von Stahltank über alte Holzfässer bis hin zu neuen Barriques) so viele Gerichte gelungen begleiten kann wie der Silvaner. Eine Preisklasse höher darf diese Qualität auch dem Champagner zugebilligt werden.

Jedoch existieren auch Lebensmittel, die sich so gar nicht mit Wein vertragen wollen. Meistens sind es ausgeprägte Bitterstoffe, die Salzigkeit oder übermäßige Säure, die einem Duett mit Wein entgegenstehen. Ganz oben dabei: sauer eingelegte Speisen wie Rollmops oder andere Heringszubereitungen, Rettich in jeder Form vom Radieserl über Meerrettich bis Wasabi. Mit ihrer bitteren Öligkeit zerlegen sie jeden auch noch so spannenden Tropfen in seine Einzelteile. Bei rohem Obst ist es die Fruchtsäure, die alle Aromen klein häckselt. Tomaten und Artischocken sind ebenfalls schwierige Partner, die sich aber mit säure-armen und wenig filigranen Weiß-und Rotweinen einfangen lassen. Im Sinne des Genusses sollte man auf Essig weitgehend verzichten. In den meisten Fällen kann er durch Zi-tronensaft ersetzt werden, der sich mit Wein entscheidend besser verträgt.

Tja, die Krautkrapfen. Nach vielen Jahren des Probierens und des interdisziplinären Austausches mit anderen Sommelier-Kollegen blieben einige sub-optimale Lösungen übrig wie die weiße, eher seltene österreichische Rebsorte Neuburger, die mit überwältigender Exotik und ordentlich Alkohol meinem schwäbischen Lieblingsgericht auf etwas unromantische Art nahekam. Am Ende meiner Recherche habe ich dann doch noch die perfekte Begleitung für Krautkrapfen gefunden: ein helles Bier.


Liebe Grüße
Peter
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#2

RE: Welcher Wein wirklich zum Essen passt

in Hauptspeisen 30.09.2019 20:44
von Gelöschtes Mitglied
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vor vielen Jahren hat mir mal ein Sternekoch gesagt, dass man mit dem Wein die Sauce machen soll, den man dann auch trinkt. Es stimmt - ich mach das schon lange. Wir trinken allerdings nicht zu jedem Essen Wein - was bei dunklen Saucen immer passt, ist ein Sherry oder Likörwein oder eben ein nicht zu trockener Wein. Bei einer Sauce zum Fisch nehme ich immer einen Wein, der "edes" oder "feledes" ist, sonst ist sie uns zu herb. In meiner Küche steht ohne Ende Weine und Schnaps zum kochen, wenn das einer sieht, denkt er sicher wir sind Trinker.
Wein ist wirklich universell einsetzbar. Ich hab dieses Jahr Birnenmarmelade mit Rotwein gemacht, die schmeckt sehr gut. Letzte Woche hab ich mal 3 Gläser Birnenmarmelade mit Amaretto gemacht, bin mal gespannt wie die sich geschmacklich in ein paar Wochen entwickelt hat.

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