14. Jan. 2021
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán hat die Europaabgeordneten seiner Fidesz-Partei auf weitere politische Auseinandersetzungen innerhalb der Europäischen Union eingestimmt. Vor diesem Hintergrund sagt auch ein liberaler Außenpolitikexperte voraus, dass die Regierung in diesem Jahr unter massivem internationalen Druck stehen werde.
Bei einem Empfang der Mitglieder der Fidesz-Delegation im Europaparlament erklärte Orbán Anfang der Woche, dass sich die Abgeordneten 2021 in Brüssel auf scharfe Kontroversen einstellen sollten. Zu den umstrittensten Themen zählte der Ministerpräsident die durch die COVID-19-Pandemie verursachte Wirtschaftskrise, die Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Impfstoffen, die Auswirkungen des Brexit sowie „Pläne der Europäischen Kommission zur Stimulation von Migrationsbewegungen“.
Im Fernsehsender ATV hat der ehemalige liberale Staatsminister für Auswärtige Angelegenheiten, István Szent-Iványi, die Äußerungen des ungarischen Regierungschefs kommentiert und dabei die Auffassung vertreten, dass Viktor Orbán zahlreiche Gründe habe, knallharte Auseinandersetzungen innerhalb der Europäischen Union zu erwarten. So habe die portugiesische Präsidentschaft bereits deutlich gemacht, dass sie die Verfahren gegen Ungarn und Polen nach Artikel 7 des Vertrages von Lissabon fortsetzen wolle. (Sie waren von den beiden vorangegangenen Ratspräsidentschaften Kroatiens und Deutschlands zunächst auf Eis gelegt worden – Anm. d. Red.)
Szent-Iványi vermutet zudem, dass die EU-Kommission die Rechtsstaatskonditionalität von Finanztransfers zur Sprache bringen könnte, da sie nicht an den auf einem EU-Gipfel erzielten Kompromiss gebunden sei, dem zufolge vor einer Umsetzung zunächst ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abgewartet werden müsse.
Ein weiteres Problem, das durchaus auftauchen könnte, sei der Entwurf der Kommission zum Thema Migration, der laut Szent-Iványi noch vor dem Ende des Jahres veröffentlicht werden dürfte. Der liberale Außenpolitikexperte erwähnt schließlich, dass die Regierung zusätzlich zu den Problemen innerhalb der Europäischen Union wahrscheinlich auch unter dem Druck der von Präsident Joe Biden geführten Vereinigten Staaten stehen werde. Sowohl Polen als auch Ungarn würden sich künftig „im Fadenkreuz“ der neuen US-Administration befinden, notiert Szent-Iványi.