Walter-Borjans warnte vor Alleingängen, diese könnten zu herben Rückschlägen im Kampf gegen das Coronavirus führen. Nötig sei eine grenzübergreifende Abstimmung im europäischen Raum. Lockerungen beim Grenzverkehr an europäischen Binnengrenzen seien zudem keine Länderangelegenheit.
Seehofer hatte sich zuvor gegen eine rasche Wiederaufnahme von Reisen zwischen Deutschland und Österreich ausgesprochen. Der CSU-Politiker warnte vor „leichtsinnigen Öffnungen, die später in Gestalt erhöhter Ansteckungszahlen zurückschlagen“. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte gesagt, er könne sich eine Öffnung der Grenze zu Deutschland „in absehbarer Zeit“ vorstellen. Auch in anderen europäischen Ländern, etwa Tschechien, wird über Grenzöffnungen diskutiert. Zudem hatten zahlreiche deutsche Politiker aus grenznahen Regionen Seehofer zu einer baldigen Lockerung gedrängt. Eine erste Verständigung gab es am Montagabend zwischen Seehofer und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU). Sie einigten sich auf eine schrittweise Öffnung der Grenze zu Dänemark ab 15. Mai. „Wir haben heute telefoniert und verabredet, einen konkreten Fahrplan zu entwickeln.“
Kräftig bläst Seehofer nun der Wind aus der Opposition ins Gesicht. So sagte Franziska Brantner, europapolitische Sprecherin der Grünen: „Wir brauchen jetzt einen Fahrplan zur Öffnung der Binnengrenzen. Die Personenfreizügigkeit ist essenziell für die EU und ihre Zukunft und darf nicht willkürlich durch Seehofer ausgesetzt bleiben.“ Europäer seien eben nicht nur Arbeitskräfte, so Brantner, „sondern Menschen, die gerade in Grenzregionen europäisch leben und auch lieben“. In den Grenzregionen brauche es dringend Erleichterungen für die Betroffenen. „Seehofers willkürliche Politik“ müsse ein Ende haben.
Hart ins Gericht mit Seehofer geht auch der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki. Unserer Redaktion sagte er: „Der Bundesinnenminister sollte häufiger auf die Internetseite seines Ministeriums schauen. Dort kann man nämlich nachlesen, dass auch die Bundesrepublik Deutschland die europäische Freizügigkeit gewährleisten muss.“ Wenn die innerdeutsche Freizügigkeit gelte, müsse aus rechtlichen Gründen die europäische Freizügigkeit gewährt werden. „Auch Horst Seehofer dürfte an die Rechtslage gebunden sein“, stichelt Kubicki.
Ein Sprecher Seehofers verteidigte die Verlängerung der Grenzkontrollen, diese seien mit den Ministerpräsidenten der betroffenen Bundesländer abgesprochen gewesen. Von Bernhard Junginger