Zum Seitenanfang Schritt hoch Schritt runter Zum Seitenende
#1

Orbán muss mit Geldentzug rechnen

in Ausland und EU 08.07.2021 17:25
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

Rechtsstaat Der Streit zwischen der EU und Ungarn spitzt sich zu: Kommissionspräsidentin greift Premier an – offen und scharf. Und ein Rechtsgutachten zeigt die nächsten Schritte auf

Von Detlef Drewes
Bild entfernt (keine Rechte)
Brüssel/Straßburg Die EU-Kommission hat Ungarn erstmals offen mit Bestrafung wegen Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze gedroht. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Behörde, nutzte am Mittwoch eine Debatte des EU-Parlaments, um die Regierung in Budapest zur Rücknahme des umstrittenen Homosexuellen-Gesetzes aufzufordern. „Dieses Gesetz nutzt den Schutz der Kinder (...) als Vorwand, um Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung schwer zu diskriminieren“, sagte von der Leyen. „Es widerspricht zutiefst den Grundwerten der Europäischen Union – dem Schutz der Minderheiten, der Menschenwürde, der Gleichheit und der Wahrung der Menschenrechte.“ Der ungarische Premierminister Viktor Orbán hatte die umstrittenen Regeln, denen zufolge Filme, Informationen und Veröffentlichungen mit Darstellungen von Lesben und Schwulen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nicht mehr gezeigt oder zugänglich gemacht werden dürfen, als Schutz der Kinder verteidigt. Dies ließ von der Leyen nicht gelten: „Dieses Gesetz ist schändlich.“

Es ist eine weitere Eskalation des Streits, der Brüssel seit Wochen beschäftigt. Bereits beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs Ende Juni hatte sich Orbán sogar von seinen Amtskollegen harte Vorhaltungen anhören müssen. „Meiner Meinung nach haben Sie in der Europäischen Union nichts mehr zu suchen“, hatte der niederländische Regierungschef Mark Rutte in der Runde ausgesprochen, was offenbar viele dachten. Von der Leyens Auftritt vor dem Parlament war nun aber auch wohl ein Befreiungsschlag in eigener Sache: Denn eigentlich hatte die Kommissions-chefin für kommende Woche einen Besuch in Budapest geplant, um –wie in allen 27 Hauptstädten – die frohe Kunde zu überbringen, dass der nationale Corona-Hilfsplan genehmigt wurde und demnächst die erste Rate der 7,2 Milliarden Euro fließen würde. Doch seit Tagen wurde hinter den Kulissen debattiert, wie von der Leyen bei einem wegen seiner rechtsstaatlichen Defizite kritisierten Premierminister zu Gast sein und dort – wie es ein Insider formulierte – „fröhlich mit einem Milliardenscheck winken“ könne. Die Frage hat sich erledigt.

Denn am Abend vor dem Auftritt im Parlament teilte die EU-Behörde mit, dass der ungarische Plan in der vorliegenden Form nicht genehmigt werde. Vor dem Plenum kündigte von der Leyen dann sogar an, dass die Verwendung der EU-Mittel durch Ungarn bereits überprüft werde. Sollte sich herausstellen, dass Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit die finanziellen Interessen der EU zum Beispiel durch Korruption oder fehlerhafte Verwendung beeinträchtigen, müssten Maßnahmen ergriffen werden. Im Herbst werde man entscheiden.

„Ursula von der Leyen hat heute starke Worte gefunden“, lobte der Grünen-Europa-Abgeordnete Daniel Freund. „Endlich hat die EU-Kommission verstanden, dass die einzige Sprache, die Orbán versteht, die des Geldes ist.“ Allerdings rügte er auch: „Von der Leyen sagt, es gebe Pläne für den Herbst. Der Rechtsstaat kann aber nicht warten.“ Inzwischen steigt der Druck des Parlamentes auf die Kommissionschefin immer weiter.

Selbst aus den eigenen Reihen der christdemokratischen Fraktion gibt es offene Aufforderungen, endlich etwas zu tun. Es werde Zeit, dass die „Kommission das neue Instrument der Rechtsstaatlichkeit anwendet“, erklärten die Vorsitzenden der CDU- und CSU-Parlamentarier, Daniel Caspary und Angelika Niebler. Was die Volksvertreter besonders auf die Palme bringt: Sollte die Kommission tatsächlich erst im Herbst aktiv werden, erhält Ungarn zuvor noch eine Milliarde Euro aus dem normalen Haushalt an Subventionen. Das aber wäre vermeidbar.

Abgeordnete hatten bei drei namhaften Rechtsprofessoren ein Gutachten in Auftrag gegeben, das am Mittwoch vorgelegt wurde. Sie kommen zu dem Schluss, dass ein Verfahren zur Kürzung oder zum Entzug von EU-Mitteln sofort eingeleitet werden könne. Schon jetzt gebe es handfeste Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit und gegen die finanziellen Interessen der EU. Das kann Ungarn empfindlich treffen: Das Land erhält aus dem EU-Etat rund sechs Milliarden pro Jahr.

Steht er noch auf dem Boden der europäischen Werte? Ungarns Premier Viktor Orbán gerät nun stärker unter Druck aus Brüssel. Foto: Olivier Matthys, dpa



Allgäuer Zeitung Kempten , 08.07.2021

Angefügte Bilder:
Sie haben nicht die nötigen Rechte, um die angehängten Bilder zu sehen

Liebe Grüße
Peter
zuletzt bearbeitet 08.07.2021 17:30 | nach oben springen

#2

RE: Orbán muss mit Geldentzug rechnen

in Ausland und EU 08.07.2021 17:28
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

Leyen muss rasch handeln

Kommentar

Von Detlef Drewes

dr@azv.de

Es war ein starker Auftritt der Kommissionspräsidentin. Ursula von der Leyen hat die jüngste Gesetzgebung in Ungarn mit einer Schärfe verurteilt, die überfällig war und angebracht ist. Aber das allein reicht nicht. Die Geschichte des Abbaus rechtsstaatlicher Grundsätze in Budapest dauert nunmehr über zehn Jahre. Mal ging es um die Mediengesetzgebung, ein anderes Mal um den Justizapparat. Nun kritisieren international anerkannte Juristen fehlende Transparenz bei der Verwaltung von EU-Mitteln in dem Land. Und außerdem, so die Professoren in einem Gutachten im Auftrag von EU-Abgeordneten, gebe es keine effektiv arbeitende, nationale Strafverfolgungsbehörde zur Ermittlung und Verfolgung von Betrug. Derweil bedient sich, wie Augenzeugen belegen, eine Clique rund um Premier Viktor Orbán an staatlichen Besitztümern. Abgesehen von dem neuen Gesetz, mit dem Lesben und Schwule diskriminiert werden, handelt es sich nicht um neue Vorgänge.

Warum also zögert die EU- Kommission immer noch, das zu tun, was von der Leyen laufend verspricht: „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ gegen diese Zustände in Ungarn vorzugehen?


Allgäuer Zeitung Kempten , 08.07.2021


Liebe Grüße
Peter
zuletzt bearbeitet 08.07.2021 17:28 | nach oben springen



Besucher
0 Mitglieder und 6 Gäste sind Online

Forum Statistiken
Das Forum hat 2902 Themen und 4131 Beiträge.

Heute waren 0 Mitglieder Online: