Zum Seitenanfang Schritt hoch Schritt runter Zum Seitenende
#1

Ein deutscher Rotwein als Weltstar?

in Ich sag mal so... 13.03.2019 18:12
von Ungarn-Bacsi (gelöscht)
avatar

Genuss Weißweine aus Deutschland genießen schon lange internationale Anerkennung. Dem Roten traut man weniger zu. Dabei gibt es eine Rebsorte aus der hierzulande absolute Spitzenweine gekeltert werden.

Rot funkelt es in einigen Gläsern, wenn sich die Sommeliers der besten Pariser Restaurants und eine erlesene Auswahl französischer Weinkritiker im „Hotel Baltimore“ treffen: konzentrierte, meist schweigend zelebrierte Verkostungsarbeit im feinen 16. Arrondissement, zwischen Triumphbogen und Eiffelturm gelegen. Die Aufmerksamkeit gilt aber nicht etwa dem großen Bordeaux oder dem unbezahlbaren Burgunder, sondern Rotweinen aus einem Land, für die sich die Herrschaften noch vor zehn Jahren nicht ihr imposantes ordensähnliches Sommelier-Abzeichen ans Revers gehängt und einen sonnigen Nachmittag für eine Verkostung geopfert hätten.

Über 140 Gäste probierten eine Auswahl fränkischer Weine, zusammengestellt vom VDP (Verband Deutscher Prädikatsweingüter). Organisiert hat die Degustation Stéphane Thuriot, der französische Sommelier, dessen Zuneigung zu deutschen Wein groß ist, zusammen mit seinen französischen Kollegen, die ebenfalls in München tätig sind - sozusagen als Kronzeugen der Qualität des deutschen Weines.

Die Silvaner, Scheureben und Rieslinge wurden neugierig bestaunt. Den stärksten Eindruck aber hinterließ eine Rebsorte, die in der Grande Nation des Weines bestens bekannt ist und im Burgund wahre Kostbarkeiten hervor bringt: Der Pinot Noir - auf deutsch Spätburgunde r. „Es ist einfach spannend mit deutschem Spätburgunder zu arbeiten“, sagt Sommelier Thuriot. „Er hat mehr Relief als die Weine aus dem Burgund.“ Philippe Faure-Brac, der Sommelier-Weltmeister von 1992 senkt den Blick ins Glas: „Viel Eleganz und eine mineralische Unterschrift.“

Der fränkische Star-Winzer Paul Fürst ist einer der herausragenden deutschen Interp reten dieser roten Diva und auch an diesem Nachmittag in Paris dabei. „Messerscharf“ ohne Schwärmerei oder Kritik habe Florent Martin seinen „2008er Schlossberg“ verkostet, sagt Fürst. Martin, Sommelier im Pariser „George V.“, wohl einem der besten Restaurants weltweit, fällt danach kein Urteil, sondern gibt eine Speisenempfehlung: „Eine präzise Begleitung zum geschmorten Ochsenschwanz mit Thymian und Jus Cassis.“ Der kanadische Weinjournalist beendet seine Notizen für Weinzeitschriften in Frankreich, Kanada und Japan: „Diese Weine tanzen delikat am Rande der Bitternis.“

Bernd Kreis, Weinhändler aus Stuttgart, exportiert seit 19 Jahren deutsche Weine nach Paris. Ein großes Geschäft sei das nicht, sagt er. Dem Spätburgunder traut er aber einiges zu: „Das Spannende an diesen Weinen ist, dass sie je nach Region völlig verschiedenartig sind.“ Grund genug für eine Reise durch das deutsche Spätburgunderland.

Direkt an der deutsch-französischen Grenze, im südpfälzischen Schweigen, arbeitet Fritz Becker mit seinem Vater Friedrich an einem Spätburgunder, der neben den klassischen Aromen nach roten Beeren und Waldboden auch mit überraschend seidigen Gerbstoffen glänzt. Die Trauben dafür kommen zum Teil von der anderen Seite der Grenze, denn die Beckers sind „Doppelbesitzer“.

Seit 144 Jahren bewirtschaften sie auch Weinberge im benachbarten Elsass. Die Weine daraus keltern sie in der Pfalz. Märchenkundige Feinschmecker finden sich auf einigen von Beckers Flaschenetiketten schnell zurecht: Zu sehen ist ein Fuchs, der an einem Rebstock entlang schleicht. „Diese Trauben ess ich nicht“, sagt er in Lafontaines Fabel „Der Fuchs und die Trauben“. Mit diesem Zitat hat Becker das Unverständnis seiner Winzerkollegen aufs Korn genommen, als er sich in den siebziger-Jahren entschloss, seine Spätburgunder ohne jeden Kompromiss trocken auszubauen.

Der Kalkboden, auf dem Beckers Rebstöcke wachsen, ist nahezu identisch mit dem Untergrund im Burgund. Aber von dort stammt das Original, dessen Verbreitung über ganz Europa den Zisterziensermönchen zu verdanken ist. Bevor in früheren Zeiten die Äbte der verschiedenen Klöster nach dem Konvent wieder in ihre Heimat aufbrachen, bekamen sie Rebstöcke mit auf diesen Weg. So gelangte auch der Pinot Noir auch ins österreichische Zisterzienserstift Zwettl, in dessen Weingut „Schloss Gobelsburg“ im Kamptal noch heute diese Rebsorte zu einem der besten Rotweine Österreichs ausgebaut wird.

Welche Eigenschaften machen also den Spätburgunder zu einer Rebsorte, von der nicht wenige Fachleute sagen, dass man als Rotweintrinker zwangsläufig dort enden müsse? Es ist vor allem das filigrane Geschmacksbild, das sich von leicht zugänglichen kirschigen Aromen in jungen und einfachen Pinot Noir über Anklänge nach Waldboden, verfallendem Herbstlaub bis hin zu Speck, erkaltetem Kamin, ja sogar Weihrauch spannt, und das alles bei mäßigen Alkoholgraden von durchschnittlich dreizehn Prozent.

Dass man ein Glas, gefüllt mit Spätburgunder, fast schon durchblicken kann, bedeutet keineswegs, dass es sich um dünnen Wein handelt. Der Pinot – wie ihn Kenner gerne liebevoll verkürzt nennen – hat relativ wenig Farbpigmente in der Traubenschale, anders als die Konkurrenz aus dem Bordelais oder der Rhone. Die roten Burgunderweine bereiten Genießern das größte Vergnügen, weil sie nicht satt, sondern Lust auf den nächsten Schluck machen. Dies liegt an der präsenten Säure, um die zu ringen, sich als Winzer lohnt.

Pikante Säure im Spätburgunder findet auch, wer aus der Pfalz rheinabwärts fährt bis fast nach Köln in das kleine Anbaugebiet Ahr. Dort wächst die Spätburgunderrebe auf Schiefer, einem Boden, der eigentlich für feine Rieslinge in deutschen Anbaugebieten mit verantwortlich ist. An den steilen Hängen über dem Flüsschen Ahr gibt er dem Spätburgunder einzigartige Aromen von Brombeeren und schwarzen Johannisbeeren mit - und im Falle der Weine von Alexander Stodden aus Rech eine Lagerfähigkeit von weit über zehn Jahren.

Neben dem Anbaugebiet Baden, das den höchsten Anteil an Spätburgunder in Deutschland aufweist, profiliert sich seit einigen Jahren das Mainviereck in Franken mit dieser Rebsorte. So wachsen die Reben im äußersten Nordwesten Frankens, in der Gegend um Bürgstadt, auf Buntsandstein. Der Erfolg dort hat einen Namen: Fürst.

Die Spätburgunder von Paul und Sebastian Fürst haben die Schwelle zur international anerkannten Spitzenklasse bereits überschritten und verkaufen sich in über 30 Ländern. Neben gezielter Ertragsreduktion und ausschließlicher Handlese ist Sebastian Fürst vor allem eines wichtig für seine filigranen Weine: der richtige Lesezeitpunkt: „Wir gehen vor der Lese jeden Tag mehrmals in alle unsere Lagen, um diesen Punkt haargenau zu treffen. Der Pinot darf nicht zu reif werden, sonst verliert er seine Finesse und wird marmeladig.“ Fürst betont dabei das Wort „Pinot“ ganz kurz auf der ersten Silbe. Es klingt wie ein Ausrufezeichen, das er vor die Rebsorte setzt, die von den Winzern so viel Mühe verlangt. Darüber hinaus braucht der Spätburgunder als „Cool-Climate“-Sorte kühle Nächte und warme Tage, um Qualitäten wie Eleganz und Frische präsentieren zu können.

Paul Fürst räumt die letzten drei Flaschen seiner Großen Gewächse „Hundsrück“, „Schlossberg“ und „Centgrafenberg“ ab, nachdem die Verkostungsgäste das Pariser „Hotel Baltimore“ verlassen haben – alle seine Weine sind ausgetrunken. Auf das Wort „Pinot“ verzichtet er bei seinem Glaubensbekenntnis zu dieser Rebsorte und ihrer Zukunft: „Deutschland ist kein Rotwein-Land, Deutschland ist ein Spätburgunder-Land.“

Empfehlungen unseres Autors

2015 Weiler Spätburgunder , Claus Schneider/Baden, www.schneiderweingut.de, 9.40 Euro

2017 Spätburgunder Tradition, Paul und Sebastian Fürst/Franken, www.weingut-rudolf-fuerst.de, 13.90 Euro

2014 Pinot Noir Steinwingert, Friedrich Becker/Pfalz, www.friedrichbecker.de, 38 Euro

2016 Dernauer Hardtberg Spätburgunder, Großes Gewächs, Jean Stodden/Ahr, www.stodden.de, 45 Euro

nach oben springen


Ähnliche Themen Antworten Letzter Beitrag⁄Zugriffe
Nationale Konsultation – der Text auf deutsch
Erstellt im Forum Inland Hu von Peterbacsi
0 04.07.2021 17:06goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 224
Die deutsche Post verabschiedet sich von der Briefmarke
Erstellt im Forum schon gehört....? von Peterbacsi
0 04.03.2020 16:15goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 291
Wegen seiner wichtigen Funktion hat die Deutsche Wildtier-Stiftung den Maulwurf zum Tier des Jahres 2020 gekürt.
Erstellt im Forum Kräutergarten Innengebiet von Peterbacsi
0 26.01.2020 20:14goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 291
Keiner kauft mehr deutsche Waffen als Ungarn
Erstellt im Forum Ausland und EU von Peterbacsi
0 12.07.2019 17:49goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 356
Unterricht für die deutsche Minderheit
Erstellt im Forum Goethe Institut Budapest von Peterbacsi
0 14.03.2019 11:05goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 306
Mitteilung der Deutschen Botschaft
Erstellt im Forum schon gehört....? von Peterbacsi
0 02.03.2019 11:34goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 301
Machtkalkül statt Europäische Werte? Die dubiosen Partner deutscher Parteien in Osteuropa
Erstellt im Forum Ausland und EU von Peterbacsi
0 18.01.2019 18:10goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 271
Ungarische Festtagstraditionen für Anfänger und Fortgeschrittene Geschrieben von - Doris-Evelyn Zakel Was den Deutschen der Gän
Erstellt im Forum schon gehört....? von Peterbacsi
0 17.12.2016 19:41goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 291
Versicherungsfragen: Übertragung von deutschem Schadenfreiheitsrabatt
Erstellt im Forum Haus und Hof von Peterbacsi
0 20.06.2016 11:01goto
von Peterbacsi • Zugriffe: 281

Besucher
0 Mitglieder und 7 Gäste sind Online

Forum Statistiken
Das Forum hat 2902 Themen und 4131 Beiträge.

Heute waren 0 Mitglieder Online: