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Wie zeitgemäß ist die neue Zeit?

in schon gehört....? 27.03.2019 09:38
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

Mit dem Umstellen der Uhren im Frühjahr und im Herbst soll nach dem Willen der EU bald Schluss sein. Das aber schafft mehr Probleme, als es löst

Wir können uns Zeit lassen. Denn bis die Fummelei an den Uhren endgültig aufhört, vergehen noch zwei Jahre. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sich einig, seit gestern auch das EU-Parlament: Erst 2021 soll die ständige Uhrenumstellung beendet werden.

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Denn bis dahin müssen die Regierungen der Mitgliedsländer sich nicht nur mit ihren Bürgern, sondern auch untereinander einigen. Welche Zeit soll denn künftig gelten? Damit beginnt spätestens in einigen Monaten ein Streit, der uns noch lange erfreuen wird. Gutachten gegen Gutachten, Warnungen von Medizinern gegen Stellungnahmen von Wirtschaftsverbänden. Außerdem kann jeder seine eigenen Empfindungen einbringen und auf Erfahrungen pochen – zum Beispiel, wenn am nächsten Sonntag, kurz nach Umstellung der Uhren auf die Sommerzeit, die Zahl der übermüdeten Zeitgenossen überhandnimmt.

Tatsächlich hat sich die Europäische Kommission, als sie das Aus für die Uhrenumstellung beschloss, die eigentlich entscheidende Frage aber den Mitgliedstaaten überließ, elegant aus dem nun aufbrechenden Streit herausgezogen. Denn schon die ersten Meinungsbekundungen aus den Hauptstädten dokumentierten: Leicht wird ein Kompromiss auf weniger als die heutigen drei Zeitzonen nicht. Zumal die öffentliche Debatte sich gerade dann, wenn von einer dauerhaften Sommerzeit die Rede ist, häufig auf unrealistisch-romantische Bilder stützt. Wer nun auch im Januar von langen und vor allem lauen Abenden träumt, irrt gewaltig. Es ist zwar abends ein wenig länger hell, dafür zahlen die Sommerzeit-Befürworter jedoch mit einem Vormittag, der bis weit nach Schul- und Arbeitsbeginn dunkel bleiben wird.

Aber darf man eine so wichtige Frage wie die nach der geltenden Uhrzeit allein dem persönlichen Empfinden überlassen? Den Stellungnahmen der Wirtschaftsverbände kann man entnehmen, dass ihnen weitgehend egal ist, ob Deutschland die Sommer- oder die winterliche Normalzeit einführt. Die Bedenken der Mediziner beschränken sich überwiegend auf die negativen Auswirkungen, die im Zuge der Umstellung der Uhren beobachtet wurden und die dann entfallen. Bleibt vielleicht noch der eigene Biorhythmus als Indiz dafür, dass der Mensch den Mittag eben dann als Mitte des Tages empfindet, wenn die Sonne im Zenit steht.

Das wäre ein Hinweis auf eine ständige Normalzeit, die wir heute im Winter haben. In Brüssel und Straßburg bedauern immer mehr EU-Politiker, das Fass überhaupt geöffnet zu haben. Sie fürchten, dass die wichtigste Bedingung für eine gute Lösung am Ende zum eigentlichen Stolperstein werden könnte: Sind die 27 Regierungen wirklich in der Lage, sich über Ländergrenzen hinweg auf höchstens zwei (nach bisher drei) Zeitzonen zu verständigen und diese ihren Bürgern auch zu vermitteln?

Schon jetzt erscheint die Vorstellung eines Konsenses, den die Staatenlenker zu Hause hergestellt haben, in Brüssel aber zugunsten der Gemeinschaft wieder aufgeben müssen, wie ein potenzieller Zündstoff im Verhältnis zwischen Bevölkerung und EU. Und so steigt mit zunehmender Dauer der Diskussion die Zahl derer, die die gegenwärtige Lösung trotz aller Beschwerden für eben doch ökonomisch, psychologisch und gesellschaftlich ausgewogen halten. Ausschließen kann deshalb kaum jemand, dass am Ende der Zeit, die man sich nun gegeben hat, vor allem das Wiederentdecken einer guten Lösung steht, die alle Beteiligten längst gefunden haben: die Beibehaltung der gegenwärtigen Praxis. Weil eine neue Zeit eben doch nicht immer zeitgemäß ist.


Liebe Grüße
Peter
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