Heute wird das christliche Abendland mit politischen Parolen verteidigt, im Jahr 1949 lebten die Menschen ihren Glauben im Alltag. Die Zahl der katholischen Gottesdienstbesucher lag im Jahr 2017 bei 2,29 Millionen – im Jahr 1950 waren es noch 11,69 Millionen. Den Osten Deutschlands sehen Experten gar als europäische Atheisten-Hochburg. Aber selbst bei den Gläubigen hat sich ein Wandel des Gottesbildes vollzogen: An die Hölle glaubt kaum mehr jemand, konfessionsübergreifende Ehen sind völlig normal. Der Glaube dient zunehmend als seelisches Sinn-Angebot, während er in der Nachkriegszeit ein festes soziales Milieu absteckte. Frömmigkeit war Pflicht und der Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft enorm. „In der frühen Bundesrepublik hatte die Kirche eine gesellschaftsstabilisierende Funktion, als wir es mit einer moralisch zutiefst erschütterten und traumatisierten Gesellschaft zu tun hatten, die durchaus nach moralischen Autoritäten sich sehnte“, sagt der Historiker Andreas Rödder. In den 60er Jahren schritt die Säkularisierung voran. Heute gehören 23,58 Millionen der katholischen, 21,54 Millionen der evangelischen Kirche an. Detlef Pollack, der im Exzellenzcluster Religion und Politik der Uni Münster forscht, sagt: „In dem Maße, wie sich Wohlstand erhöht, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass Menschen ein distanziertes Verhältnis zu Religion sowie zum Glauben an Gott entwickeln.“