Wien Einen Tag vor Weihnachten hat die rechtspopulistische Freiheitliche Partei in Österreich den lange angekündigten Bericht ihrer Historikerkommission vorgelegt. Er soll ihre Vergangenheit als Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten aufarbeiten – und belegen, dass sie inzwischen „eine Partei wie jede andere“ ist. „Man kann nicht behaupten, dass die FPÖ in ihrem Wesenskern durch nationalsozialistische Gedanken zusammengehalten wird und dieses Gedankengut bis heute die maßgebliche Quelle für ihre Politik ist“, sagte Mitautor Thomas Grischany. Der ehemalige Mitarbeiter des früheren Parteichefs Heinz-Christian Strache, mit dem die FPÖ nach der Ibiza-Affäre nichts mehr zu tun haben will, hat den 700-seitigen Bericht zusammen mit FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker vorgestellt.
Dass die FPÖ nach dem Zweiten Weltkrieg zur Anlaufstelle für (frühere) Anhänger des Nazi-Regimes wurde, ist unbestritten. Nach eigenen Angaben hat sie rund eine Million ehemalige NSDAP-Mitglieder und deren Angehörige aufgenommen. Dass die Freiheitlichen gerade jetzt die Aufarbeitung mit der eigenen Vergangenheit veröffentlichen, erklärte Generalsekretär Hafenecker mit dem Wunsch des neuen Parteivorsitzenden Norbert Hofer, die Kontroverse darüber zu beenden. Nach der Ibiza-Affäre und dem Parteiausschluss von Strache versucht Hofer, rechtsextreme Mitglieder aus der Partei zu drängen. Intern werden sie beschönigend als „Narrensaum“ bezeichnet. Die sogenannten „Narren“ fallen immer wieder durch antisemitische und rassistische Äußerungen und Aktionen auf. Im Bericht behandelt der FPÖ-Generalsekretär persönlich 33 rechtsextreme „Einzelfälle“, nur gegen zwei seien die erhobenen Vorwürfe begründet gewesen und hätten einen Parteiausschluss nach sich gezogen.
Vorgelegt wird ein Sammelsurium unterschiedlicher Aspekte der Parteigeschichte. Obwohl Angehörige der schlagenden Burschenschaften heute mehr denn je die inhaltliche Ausrichtung der FPÖ bestimmen, wird das Thema lediglich in Form zweier allgemeiner Beiträge behandelt. Der unabhängige Historiker Michael Gehlen hatte nach einer Studie über die Burschenschaften schon vorher das Resumee gezogen, diese seien von einer „bis ins Neonazistische reichenden Gesinnung geprägt“.
Die Historikerkommission war eingesetzt worden, nachdem 2017 ein Liederbuch mit antisemitischen und rassistischen Texten der Burschenschaft des niederösterreichischen Landesvorsitzenden Udo Landbauer aufgetaucht war. Eine Gruppe parteinaher Historiker und bezahlter Experten war daraufhin beauftragt worden. Der ehemalige sozialdemokratische Stadtschulrat Kurt Scholz, der ebenfalls mitgearbeitet hatte, distanzierte sich im August von dem Bericht. Sein Beitrag dazu sei verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen dargestellt worden. Er forderte die ungekürzte Veröffentlichung.
Von Mariele Schulze Berndt