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Auch in gesunden Zeiten auf Gott vertrauen

in Gott und die Welt 21.11.2020 17:24
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

Klinikseelsorger/innen lernen immer wieder Menschen kennen, die zwar schwer krank sind und schon viel Leid und Schmerz durchlebt haben, aber die doch hoffen, ein wenig mehr Lebenszeit geschenkt zu bekommen. Die Ansprüche an ein Weiterleben sind dann oft ganz demütig und bescheiden. Wer die unsagbare Schwäche und Müdigkeit erlebt hat, hofft nicht auf große Dinge, sondern auf ganz kleine, für einen gesunden Menschen selbstverständliche Erlebnisse: Sich an die Bettkante setzen zu können, anstatt nur zu liegen, zuhause in vertrauter Umgebung sein zu dürfen, wieder etwas schmecken zu können, ohne dass ein bitterer oder metallischer Beigeschmack (wie er nach Chemotherapien immer wieder vorkommt) jede Freude am Essen verdirbt.

Ich staune oft, wie kostbar diese vermeintlich selbstverständlichen Dinge werden können. Und wie viel Leid und Schmerz Menschen bereit sind auszuhalten, wenn sie dafür nur noch ein wenig mehr Zeit mit ihren Lieben haben dürfen.

Da frage ich mich, wie sehr ich eigentlich diese kostbaren Momente in meinem Leben wirklich wertschätze. Dass ich so gut wie jeden Morgen fast schmerzfrei aufwache, dass ich mit meiner Frau jeden Tag erleben darf, dass ich noch mobil bin.

Morgen feiert die evangelische Kirche den Ewigkeitssonntag oder Totensonntag. Wir erinnern uns an die Verstorbenen, zünden im Gottesdienst ein Licht für jeden an, der im vergangenen Jahr aus diesem kostbaren und erstaunlichem Leben in die Ewigkeit gegangen ist. Der Blick über dieses Leben hinaus kann helfen, die Sorgen, die wir uns hier manchmal machen, in einem anderen Horizont zu sehen. Wenn man in die Weite sieht, wird das, was direkt vor uns liegt, kleiner und verschwommener.

Der Ewigkeitssonntag spricht in den ausgewählten Bibeltexten davon, nicht nur kurzfristig zu denken. Da heißt es zum Beispiel im Gleichnis von den „klugen und törichten Jungfrauen“, die am Abend auf die Rückkehr des Bräutigams warten, dass die einen nur ihre Öllampen dabei haben, die anderen haben noch vorgesorgt und haben zusätzlich Öl-Vorrat mitgebracht, für den Fall, dass es länger dauert. Und tatsächlich: es hat länger gedauert, sodass die Frauen ohne Vorrat ihre Lampen verlöschen sahen und letztlich nicht beim Fest dabei sein konnten.

Mir fällt dazu vieles ein, wo ich im kurzfristigen Denken den Überblick verliere, mich verzettele, mich verausgabe, ohne das Gesamte des Lebens im Blick zu behalten. So vergeht kostbare Lebenszeit damit, sich über Dinge aufzuregen und Sorgen zu machen, die man doch nicht ändern kann – anstatt den Blick zu weiten, „durch den Horizont“ zu schauen und die Hoffnung darauf zu setzen, dass unser Leben nicht nur aus Diesseits besteht. Auch vielen schwerkranken Menschen hilft der Glaube daran, dass ihr Leben nicht einfach erlischt wie eine Lampe, die kein Öl mehr hat, sondern dass das Vertrauen auf Gott auch den Weg in seine Ewigkeit ausleuchtet. Es ist wichtig, sich schon in guten, gesunden, kraftvollen Zeiten darin einzuüben, auf Gott zu vertrauen.

Manchmal kann schon ein Innehalten und ein „zur Besinnung kommen“ wie ein Gebet sein. Wenn ein Kind zu seinen Eltern Vertrauen hat, wird es auch auf schwierigen Wegstrecken nach ihrer Hand fassen – und genauso ist es wichtig, das Vertrauen zu Gott jetzt schon einzuüben, damit das Vertrauen dann trägt, wenn ich keine Kraft mehr habe, in der Bibel zu lesen oder einen klaren Gedanken zu fassen. Dann werden die Bilder der Geborgenheit beim guten Hirten der eigenen Seele Trost und Frieden schenken.


Liebe Grüße
Peter
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