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Äpfel mit Schorf, grüne Zitronen, krumme Gurken

in Ich sag mal so... 03.02.2021 16:46
von Peterbacsi • Admin | 3.590 Beiträge

Obst und Gemüse ohne Standard-Aussehen wird nach wie vor massenweise vernichtet. Das zeigt eine Studie des Umweltbundesamts. Welche Anstrengungen die Discounter unternehmen und was eine Öko-Expertin empfiehlt



Dessau/Bremen 15 Prozent der Speisekartoffeln gelangen wegen optischer Mängel nicht in den Handel. 25 Prozent der Erdbeeren werden wegen unschöner Stellen vernichtet. Jeder dritte Salat wird untergepflügt, weil die Köpfe zu klein oder zu groß sind. Das berichten Erzeugerbetriebe in einer Studie, die das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau unter dem Titel „Umwelt- und klimarelevante Qualitätsstandards im Lebensmitteleinzelhandel“ veröffentlicht hat. Sprich: Obst und Gemüse, dessen Geschmack einwandfrei ist, wird massenhaft von landwirtschaftlichen Betrieben entsorgt, weil Handelsketten die Abnahme verweigern – nicht wegen gesetzlicher Anforderungen, sondern wegen von den Konzernen festgelegten Standards. Um die zu erfüllen, setzen Erzeuger kurz vor der Kohlrabi-Ernte extra Pestizide und Dünger ein, damit das Blattwerk im Ladenregal sattgrün und makellos aussieht. Die Blätter sollen Frische symbolisieren – dabei führen sie laut Studie zu einer hohen Verdunstungsrate und zum Verlust von Frische. „Zur Bekämpfung des gesundheitlich unbedenklichen Apfelsilberschorfs werden Äpfel häufig mit krebserregenden bzw. entwicklungsschädigenden Pflanzenschutzmitteln behandelt“, steht in der UBA-Studie. Laut Bundesernährungsministerium werden jährlich nach der Ernte 1,4 Millionen Tonnen Lebensmittel zu Abfällen. Während der Verarbeitung kommen weitere 2,2 Millionen Tonnen dazu.
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Der Handel verweist dagegen auf seine Anstrengungen im Kampf gegen die Verschwendung. Aldi Süd hat 2017 mit dem Verkauf von „Krummen Dingern“ begonnen: Äpfel und Mohrrüben, die anders aussehen, werden günstiger verkauft. „Der Test ist sehr erfolgreich verlaufen“, sagt Unternehmenssprecherin Carolin Sunderhaus. Es werde geprüft, ob weitere Obst- und Gemüsesorten mit Schönheitsfehlern angeboten werden. Sie räumt aber ein, dass „krumme Möhren“ wegen mangelnder Nachfrage aus dem Angebot genommen wurden. Bei Aldi Nord gibt es seit 2019 sogenannte „Wetteräpfel“ als Aktionsartikel: Äpfel, denen man ansieht, dass sie unter zu viel Sonne oder Hagel gelitten haben.

Während man bei Aldi Äpfel mit optischen Besonderheiten für den Kunden günstiger macht, geht Penny einen anderen Weg: Dort werden unter der Marke „Naturgut Bio-Helden“ je nach Saison bis zu 24 unterschiedliche Obst- und Gemüseartikel in Bio-Qualität geführt, für die der Kunde auch bei „kleinen Form- oder Schalenfehlern“ den normalen Preis zahlt. „Das Angebot wird von unseren Kunden gut angenommen, die Nachfrage steigt stetig“, sagt Rewe-Pressesprecherin Kristina Schütz. Weder Aldi noch der Penny-Mutterkonzern Rewe nennen genaue Zahlen. „Reichweite und Relevanz dieser Ansätze sind bislang noch als marginal zu bewerten“, lautet das Urteil des Umweltbundesamtes. Es empfiehlt dem Handel deshalb, seine Standards zu entschärfen: Bislang schaffen es zum Beispiel kleine Blumenkohlköpfe nicht ins Ladenregal, weil sie nicht nach Gewicht, sondern pro Stück verkauft werden.

„Man muss mit den Kunden über die Gründe für das ungewohnte Aussehen reden, dann sind sie zum Kauf bereit“, ist die Erfahrung von Marie Pigors von der Betriebsleitung des Naturkost Kontors Bremen, das 600 Öko-Fachläden beliefert. „Davon kaufen nur zwei bei uns krumme Gurken ein, obwohl sie genauso gut wie alle anderen Bio-Gurken schmecken und etwa nur die Hälfte des normalen Preises kosten. Die Händler wissen, dass ihre Bio-Kunden vor allem auf das Aussehen achten“, sagt Pigors. Der Einsatz von Pestiziden ist für Bio-Landwirte tabu, doch sie nutzen natürliche Mittel wie Schwefel und Kupfer, um Schorf von Äpfeln fernzuhalten – aus optischen Gründen.

Auf einem Wochenmarkt verkauft Pigors Großhandelsware direkt an Endverbraucher und kann dort im Gespräch erklären, warum Zitronen oft grün aussehen („werden erst im Herbst gelb“), warum Kohlrabi mal die Größe eines Golfballs und mal die einer Bowlingkugel hat, warum Rosenkohl auch mit gelblichen Außenblättern oder Brokkoli und Blumenkohl mit bräunlichen Flecken wunderbar schmecken.

Ihr Fazit: „Auf den Wochenmärkten werden mehr Exoten genommen als in den Läden. Kunden freuen sich, dass sie so etwas gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln tun können.“ Der Kontakt zum Kunden ist für Pigors aber nicht die Lösung: „Das Thema Ernährung muss im Bildungsbereich eine größere Rolle spielen.“
Von Joachim Göres


Liebe Grüße
Peter
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